Die Macht von Rahmen-Programmen

Moderation der Rahmenprogramme ist anspruchsvoll

Die Macht von Rahmen-Programmen

Wer eine mehrtägige Veranstaltung oder Messe für Konsumenten organisiert, der plant meist ein Rahmenprogramm ein. Doch Vorsicht – die Entwicklung und Durchführung eines guten Programms kostet viel Zeit und Nerven und setzt eine gute Kenntnis der Zielgruppe voraus. Wer einen echten Mehrwert für alle Beteiligten erreichen will, der sollte sich das Programm, wie ein TV-Format vorstellen – es muss einen Service für die Gäste auf der Bühne und für den Zuschauer bieten.

In der Realität sieht es oft ganz anders aus. Zu den Öffnungszeiten wird die Bühne acht Stunden ohne Kernbotschaften und Kommunikationsziele Dauer-beschallt. Funktionäre und Aussteller werden ohne Bühnenerfahrung und Briefing auf die Bühne geschickt. Nach altem Vorbild werden Reden geschwungen, Grußworte verlesen und Werbebotschaften im Heizdeckenverkauf-Jargon unters Volk gebracht. Häufig ohne Rücksicht auf die Zielgruppe. Damit der Veranstalter PR-Bilder für die Außenwerbung hat, wird meist eine Koch-Show mit Verkostung eingeflochten. Das sorgt für lange Schlangen vor der Bühne und regelmäßig zu Handgreiflichkeiten unter den hungrigen Besuchern. Das sind also die Messebesucher, die unseren Ausstellern auch in Zukunft ihre Leistungen abkaufen? Wohl kaum.

Es staubt auf Deutschlands Freizeit-Bühnen.

Kurz zurück zur Basis: Veranstaltungen werden auf die Beine gestellt, um Kohle zu verdienen. Je mehr Besucher kommen, desto höher ist der Umsatz für alle. Es wird oft in klassische Werbung und Außenwerbung investiert. Im wahrsten Sinne des Wortes plakativ – ohne Inhalte und verständlichen Mehrwert. Die Botschaft lautet: Kommt am Wochenende zu uns. Geschmückt mit einem inhaltslosen Claim: Erleben Sie Neuheiten & Trends – es geht bei den Messeanbietern im Consumer-Bereich um Erlebnisse. Aha!

Doch meist erleben die Besucher ihr blaues Wunder.

Wenn man Messemacher fragt, ob sie sich eine Eintrittskarte kaufen würden, erntet man ein Nein. Das erinnert mich an die Macher von TV-Formaten. Die würden ihre Grütze auch nicht freiwillig anschauen. Kurzum die Besucher kommen aus Gewohnheit oder das Wetter ist schlecht oder es mangelt an Alternativen. Sobald die Sonne rauskommt oder es bessere Angebote gibt, bleiben die Besucher aus. Ohnehin sterben die ZDF-Gewohnheitsbesucher aus. Die scheinbar unerreichbare junge Zielgruppe tummelt sich bei wirklichen Erlebnis-Veranstaltungen – meist ehrenamtlich mit viel Herzblut aus dem Boden gestampft. Authentisch und mit Herz auf die Beine gestellte Veranstaltungsformate.

Ja, wir wissen, dass unser Erlebnisprogramm schlecht ist, aber …

Sorry, ich biege nochmal ab, bevor es auf die Zielgerade geht. Die JA-ABER-Projektleiter sind sehr engagierte Persönlichkeiten, die an einer sehr kurzen Leine der Geschäftsführung hängen. Sie handeln nicht nach bestem Gewissen und Wissen, da sie sonst mit Verunglimpfungen leben müssen. Oft nur zwei Jahre im Amt – zu kurz um langfristige Ziel umzusetzen. Werden so aus sorgsam geplanten Investitionen Veranstaltungskonzepte für die Zukunft?
Wen begegnen wir auf den Freizeitmessen? Unzufriedenen Ausstellern. Beschwichtigende Geschäftsführer – die Politikern sehr ähneln. Lächelnden Projektleitern sowie nörgelnden Besuchern, deren Erwartungen nicht erfüllt werden. Insgesamt eine unzufriedene Masse, die sich durch die Gänge schiebt. Warum werden dann noch solche Erlebnis-Tage veranstaltet? Da unterm Strich doch Geld verdient wird? Darüber will aber keiner offen reden. Die Branche kämpft seit Jahren mit Umsatzeinbußen, gefühlt wird gar kein Geld mehr verdient.

Ein nicht weiterentwickelter Verkaufsschlager – wird sterben.

Ok, wir haben die Schuldigen ausgemacht. Damit haben wir die Lösung – es ist nicht zu lösen, da alle mitmachen und keiner das Rückgrat oder die Zeit hat, Veränderungen umzusetzen. Der Besucher muss dann irgendwann auf seine geliebte Veranstaltung verzichten. In Hamburg ist es die „Du und Deine Welt“ die ohne standesgemäße Beerdigung beseitigt wurde. Immerhin über 50 Jahre alt. Ein Schwergewicht unter den Verbrauchermessen. Bis heute hat keiner erfahren, warum es diese Messe nicht mehr gibt. Was die wirklichen Probleme waren. Das Beispiel zeigt uns, dass wir handeln müssen. Und zwar alle Beteiligten.

Natürlich ist ein Rahmenprogramm nicht die allgemeingültige Lösung, doch es stellt die Symptome gut zur Schau. Es wird viel Budget in herkömmliche Werbemittel und Bühnenausstattung investiert, viel Geld fließt zu den Agenturen und Rahmenvertragspartnern, um dann im Rinnsal zu den Subunternehmern zu fließen, eher zu tröpfeln. Für Inhalte, Dekoration, Referenten, Moderatoren und Requisiten, geschweige für die Pflege von Social-Media Kanälen ist dann kein Euro mehr in der Kasse. Kurzum: Für die greifbaren Erlebnisse ist dann kein Geld mehr da.

Egal, wir haben acht Stunden Programm jeden Tag. Fertig!

Dass ein Programm in den meisten Fällen, dann doch noch gut funktioniert, ist den vielen Ehrenamtlichen und Engagierten zu verdanken, die mit viel Herzblut und einer Aufwandsentschädigung die Inhalte auf die Beine stellen. Es reicht gerade so, aber so werden langfristig keine Innovationen und Kundenbindungsprogramme geboren.

Innovationsfreude durch nachhaltige strategische Planung

Genug Beispiele. Packen wir es an. Bevor ein Euro in die Hand genommen wird, sollte ernsthaft überlegt werden: Gibt es genug Personal. Die Organisation und Steuerung des Rahmenprogramms braucht Zeit. Die technische Basis ist nicht wegzudiskutieren. Die Technik sollte mit Bedacht gewählt werden, kleine Bühne, gute Beleuchtung, Videoaufzeichnung, Beamer, Mikrofonie und technisches Personal. Machen Sie einen sorgfältig vorbereiteten 4-Stunden-Workshop mit dem gesamten Team, laden Sie zwei Gäste oder Aussteller ein. Ergebnis des Workshops: Konkrete Ideen zur kurzfristigen Umsetzung und die Geburt von zwei Ideen mit langfristigem Potenzial, auf drei Jahre angelegt. Frei denken – alles ist erlaubt. Die Schere kommt noch früh genug zum Einsatz. Der Workshop wird nicht beendet, bevor nicht Zuständigkeiten mit Deadlines festgelegt werden. Jemand übernimmt die Verantwortung für die Umsetzung der Ziele. Mögliche Fragestellungen könnten sein:

  • Warum sollten Stammkunden wiederkommen, Aussteller wie Besucher
  • Mit welchem Mehrwert gehen Aussteller und Besucher von der Veranstaltung nach Hause
  • Was sollen Stammkunden weitererzählen?
  • Unter welchem Motto stehen die kommenden Veranstaltungen? Gibt es eine Kaskade?
  • Mit welchen Ideen könnte man Aussteller und Besucher aktivieren mitzumachen, zu gestalten?
  • Welche Aktionen schaffen Vertrauen für anstehende Veränderungen und Innovationen?
  • Wie kann das Rahmenprogramm mit anderen Veranstaltungsinhalten verzahnt werden, als ein Format wahrgenommen werden?
  • Gibt es Refinanzierungsmöglichkeiten durch gutes Product-Placement?
  • Inwieweit sind die neuen Medien hilfreich?
  • Wo können wir bei der klassischen Werbung einsparen?
  • Mit welchen Menschen wollen wir in Zukunft wertschätzend zusammenarbeiten? Wie würde eine neue vertrauensvolle und nachhaltige Kooperation aussehen?
  • Können wir anhand von Fotos und Videoaufzeichnungen, das Programm mehrfach nutzen

Es könnte hier munter weitergehen, diese Fragen sollen nur Anregungen sein.

Inhalte auf der Bühne sollten den aktuellen Sehgewohnheiten entsprechen.

Schauen Sie sich Ihre Zielgruppen genau an. Die einen konsumieren Service-Formate im TV, die anderen wollen Action und schnelle Themenwechsel. Junge Themen werden von allen Zielgruppen mit Interesse verfolgt. Dabei ist es unerheblich, ob jemand 16 oder 69 Jahre alt ist – emotionale persönliche Geschichten haben die Tragfähigkeit für eine Zielgruppenübergreifende Kommunikation. Probieren Sie bewusst Formate aus, bei denen Zuschauer aktiv mit eingebunden werden. Streichen Sie mutig Programmpunkte aus den letzten Jahren. Bauen Sie Highlights um. Ich empfehle immer, schneiden Sie die Pflanze im Frühjahr stark zurück, damit sich im Sommer jeder daran erfreuen kann. Es darf also radikal sein und heiß diskutiert werden. Je mehr Schweiß in der Konzeptphase fließt, desto mehr Herzblut steckt nachher in jedem Programmpunkt. Hüten Sie sich vor Verlosungen und Gewinnspielen. Es gibt nur Verlierer. Locken Sie das Publikum nicht mit Geschenken und Verkostungen, diese Zielgruppe ist Gift für die Atmosphäre vor Ort und gilt nicht als langfristiger Multiplikator und Sympathieträger.

Jedes Jahr wird ein aufwendiges Programm auf die Bühne gestellt und nur einmal ausgestrahlt. Seid ihr denn verrückt!

Ein Jammer, dass es keine Mehrfachverwertung von Veranstaltungsinhalten gibt. Damit ist ab sofort Schluss. Werden Sie zum WEB-TV-Produzenten. Engagieren Sie eine Video-Crew mit Redakteur und starten Sie Ihr eigenes Format. Die Geschichten liegen seit Jahren vor Ihren Füßen. Schneiden Sie das Bühnenprogramm professionell mit zwei Perspektiven mit. Verfahren Sie bei der Entwicklung der TV-Formate wie im o.g. Workshop. Sie sprechen mit Bewegtbildern eine ganz andere Zielgruppe an. Nutzen Sie den Moderator vor Ort für Aufsager. Füllen Sie die Zeit zwischen den Veranstaltungen mit Hintergrundstorys und Teasern für die kommende Veranstaltung. Das wird im Netz mit Klicks und Weiterempfehlungen belohnt. Streichen Sie dafür Geld aus Ihrem klassischen Werbebudget.

Hier noch einige Worte an das Team

Bitte, liebe Direkterzeuger, besinnen Sie sich auf Ihre Kernkompetenzen, auf das Herstellen von Produkten. Erzählen Sie Ihre Geschichte. Nehmen Sie dazu Requisiten. Imitieren Sie keine vermeintlichen Verkaufstricks, die auf Messen ziehen sollen. Vermeiden Sie zu viele Roll-ups und Messe-Kampfpreise.

Hey Propagandisten, Eure Zunft ist vor dem Aussterben bedroht, der Direktverkauf im Internet ist Eure Zukunft. Legt das altersschwache Headset mit längst verbotener Frequenz zur Seite und macht etwas Anderes, es wird klappen. Ihr seid aus dem richtigen Holz dafür geschnitzt.

Anbieter von Non-Food- Waren, weniger ist mehr. Nicht das ganze Portfolio ausstellen und eine rauchen gehen, sondern die wirklichen Highlights mit Marge in den Mittelpunkt rücken. Dazu eine witzige Idee überlegen, wie man das Publikum ehrlich begeistern kann. Und an den Nachverkauf im Internet und am Telefon denken.

Messebauer und Technikfirmen. Ja, ich weiß, die Preise sind im Arsch. Ich sage da nur hausgemacht und selber schuld. Verbaut bitte kein drittklassiges Equipment. Arbeitet so wenig wie möglich mit Subunternehmern. Begeistert Eure Kunden und geht nie unter die Schmerzgrenze im Preis, denn dann macht die Arbeit keine Freude mehr. Für beide Seiten. Arbeitet an neuen Paketen und Konzepten. Hinterfragt, ob Vermietung eure Cashcow ist oder ob die Postproduktion auch ein interessantes Standbein sein kann.

Hallo Subunternehmer und Promoter, macht Eure Arbeit nach bestem Gewissen. Sie ist schlecht bezahlt. Sammelt die Erfahrung und macht Platz für Newcomer. Macht das Beste draus.

Moin Moin Veranstalter. Ja, ich weiß, es ist komplex. Voller Hürden und ganz vieler ABER. Macht weiter, das ist Eure Leidenschaft. Vermietet bitte keine Quadratmeter, sondern bringt die Menschen auf einem Marktplatz voller Ideen zusammen. Lasst Vordenker sprechen und graue Mäuse zuhören. Ihr werdet Neues entdecken und andere anstecken.

Lieber Kaufmann und Chef, bitte Verantwortung und hart verdientes Geld weitergeben. Gibst Du Verantwortung ab, wirst du über das Potential deines Teams überrascht werden. Führe dort, wo noch Ängste und Unsicherheiten herrschen. Lege Deine Zahlen dem Team offen und setze erreichbare Ziele. Stärke dem Team den Rücken und führe heiße Diskussionen mit Politikern und Kunden.

Ich bin Henning Harfst, Kommunikation ist meine Leidenschaft und gebe nicht auf, mich für die Zuschauer einzusetzen. Bisher habe ich mit dieser Einstellung vielen Kunden den Schweiß auf die Stirn getrieben und auch Diskussionen geführt. Dabei konnte ich viel beobachten und lernen. Als Kaufmann ist mir bewusst, dass anfängliche Kosten auch zu Profit führen können und zwar mit dem richtigen Gespür und Mut den Veränderungen zu begegnen.

Schreiben Sie mir, wenn Sie Feedback haben. Ich bin für konstruktive Kritik und Ideen offen. Machen wir es gemeinsam besser.

Bildnachweis //  Foto: Henning Harfst